KM-Gespräch: Korrekturbelastung, Deutschabitur und Brückenklassen

November 2022

Ende November 2022 traf sich die bpv-Fachgruppe Deutsch zu einem Austausch mit Vertretern des Kultusministeriums und des Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung (ISB).

 

V.l.n.r.: Karlheinz Schoofs und Sabine Eidenschink von der bpv-Fachgruppe Deutsch, die Leiterin des Fachreferats Deutsch im Kultusministerium, Ministerialrätin Susanne Raab, die Fachreferenten Simon Dax (ISB) und Johannes Hofmann (Kultusministerium). Zum Abschluss wurde vereinbart, zu den relevanten Themen im Gespräch zu bleiben.

 

In einem offenen und vertrauensvollen Gespräch hatten die Vertreter der bpv-Fachgruppe die Möglichkeit, ihre Anliegen vorzubringen. Zentraler Punkt des Gesprächs war die Arbeitsbelastung der Deutschlehrkräfte, wie sie in letzter Zeit durch die Fachgruppe verschiedentlich vorgebracht wurde. Angesprochen wurde beispielsweise die Korrekturbelastung, insbesondere in großen Klassen. Da Deutschlehrkräfte stets den gesamten Klassenverband unterrichten, sind sie darüber hinaus prädestiniert für Klassenleitungstätigkeiten. Außerdem sind Deutschkolleginnen und -kollegen immer in den Probeunterricht und ins Abitur eingebunden. Durch die längeren Bearbeitungszeiten der Schulaufgaben und Klausuren müssen sie deutlich mehr Aufsichten absolvieren, was durch Nachschriften noch verschärft wird. Alle Beteiligten waren sich in der Bewertung der Lage grundsätzlich einig und wollen in der näheren Zukunft nach Möglichkeiten suchen, die Situation, soweit dies möglich ist, zu verbessern. Ein erster Schritt wird durch das Kultusministerium bzw. das ISB dahingehend getan, dass die Deutschlehrkräfte Hinweise zum effizienten Korrigieren erhalten. Diese Initiative, die vom ISB ausgearbeitet wurde, wurde durch die Vertreter der Fachgruppe sehr begrüßt, stellt sie doch eine konkrete Hilfestellung für die Praxis dar. Es kommt nun auch auf die Fachschaften an den Schulen an, die Möglichkeiten, die sich zur Entlastung der Deutschlehrkräfte bieten, wahrzunehmen.

 

Deutschabitur und Brückenklassen

Weitere Gesprächsthemen war das Deutschabitur und die Brückenklassen. Die Abiturthemen I-III stellen in Bayern, im Vergleich zu anderen Bundesländern, eine Besonderheit dar, an der man seitens des Kultusministeriums und des ISB auch festhalten will, solange dies angesichts einer bundesweiten, gemeinsamen Erstellung von Abituraufgaben möglich ist. Für die Themen I-III spricht das Wahlverhalten der bayerischen Abiturientinnen und Abiturienten, denn die Mehrzahl der Schülerinnen und Schüler wählt diese Aufgabenformate aus, weil sie sich darauf verlässlich vorbereiten können und sich entsprechend sicher fühlen.

Im Hinblick auf die Brückenklassen wären nach Ansicht der Fachgruppe Deutsch Anhaltspunkte wertvoll, welches Sprachniveau die ukrainischen Schülerinnen und Schüler im Deutschen im Juli 2023 erreicht haben sollen und worin die Entscheidungsgrundlage für die Lehrerkonferenzen im Sommer bestehen soll. Das Kultusministerium ist mit der Frage der Brückenklassen befasst, allerdings ist der Entscheidungsprozess noch nicht abgeschlossen. Der Fachgruppenvorsitzende machte darauf aufmerksam, dass gegenüber den ukrainischen Familien eine verbindliche Information erfolgen müsse, wie es für ihre Kinder, wenn sie in Deutschland bleiben, weitergehen soll.

Karlheinz Schoofs, Vorsitzender der Fachgruppe Deutsch im bpv


 

„Uns erreichen regelmäßig Hilferufe“

Die Fachgruppe Deutsch hat seit Anfang 2022 mit Karlheinz Schoofs (Bild) einen neuen Vorsitzenden. In der konstituierenden Sitzung stand die hohe Arbeitsbelastung der Deutschlehrkräfte im Fokus. Im Interview für die Ausgabe 1-2022 der bpv-Verbandszeitschrift "Das Gymnasium in Bayern" (GiB) spricht er über Nöte, Erfahrungen in anderen Bundesländern und wie sich zumindest etwas Abhilfe leisten lässt.

 

GiB Herr Schoofs, wie verlief die konstituierende Sitzung der Fachgruppe Deutsch?

K. Schoofs Wir tagten Mitte November zum ersten Mal in der neuen Konstellation. Dabei haben wir den langjährigen, über die Pensionierung hinaus engagierten Landesfachgruppenvorsitzenden Reinhard Schneider verabschiedet, wie auch Ingrid Willardt, die ebenfalls sehr lange dabei war. Das dominierende Thema der Tagung war erneut die Arbeitsbelastung der Deutschlehrerinnen und -lehrer.

 

GiB Was genau beschäftigt Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen bei dem Thema?

K. Schoofs In der Fachgruppe Deutsch im bpv erreichen uns regelmäßig Hilferufe von Fachkolleginnen und Fachkollegen. Da hören und lesen wir Aussagen wie „Wir korrigieren von Oktober bis Juli Wochenende für Wochenende, wir korrigieren in den Ferien, wir finden keine Erholung mehr!“ Oder: „Wir schaffen unsere Arbeit nur noch, indem wir Teilzeit beantragen und dadurch auf Gehalt und in Folge auch auf Pensionsanteile verzichten!“

 

GiB Seit wann kommen diese Rückmeldungen?

K. Schoofs Das Thema der hohen Arbeitsbelastung unter Deutschlehrkräften beschäftigt die Fachgruppe seit Jahren. Große Hoffnungen wurden an die Arbeitszeitstudie des Deutschen Philologenverbandes geknüpft. Wir hatten gehofft, dass sie die Belastung endlich belegen wird und als Argumentationshilfe dienen kann. Doch offensichtlich lassen die erhobenen Daten eine differenzierte Auswertung nach Fachkombinationen nicht zu. Die Hauptversammlung des Bayerischen Philologenverbandes hat daraufhin 2020 einen Antrag beschlossen, eine Statistik zur Teilzeit unter Gymnasiallehrkräften von der Bayerischen Staatsregierung einzufordern, die nach Fächerkombinationen, Geschlecht und Alter unterscheidet. Nach unserer Information erstellt das Kultusministerium eine solche Statistik derzeit, wie ausdifferenziert sie sein wird, ist aber noch unklar.

 

GiB Welche Erfahrungen gibt es andernorts?

K. Schoofs In Nordrhein-Westfalen hat sich vor Jahren ein Verband der Korrekturfachlehrer gegründet, der aber unter dem Strich auch keine tragfähigen entlastenden Lösungen erreichen konnte. Zwar hat er einige Sitze in Bezirkspersonalräten und im Hauptpersonalrat errungen und erfolgreich vor Gerichten gegen die UPZ-Bemessung geklagt. Aber statt eine geringere Unterrichtsverpflichtung für die Korrekturfachlehrer umzusetzen, hat der Gesetzgeber in NRW das sogenannte Bandbreitenmodell im Schulgesetz verankert. Danach können Lehrkräfte. Danach können Lehrkräfte mit vielen Korrekturen bis zu drei Stunden entlastet werden, wenn gleichzeitig andere Lehrkräfte im gleichen Lehrerkollegium entsprechend über ihr Pflichtstundenmaß hinaus Unterricht erteilen. Verständlicherweise machen Lehrerkonferenzen und Schulleitungen keinen Gebrauch von solchen Möglichkeiten, um keinen Unfrieden in ihren Kollegien zu erzeugen. Das Thema ist also heikel und als Verband wollen wir uns nicht durch ein Ringen kontroverser Fachinteressen entsolidarisieren.

 

GiB Was können Lehrerinnen und Lehrer mit der Fakultas Deutsch dann tun?

K. Schoofs Zumindest sollten wir die vorhandenen Chancen nutzen und unsere Belastung im Rahmen des rechtlich Möglichen und pädagogisch Vertretbaren selbst begrenzen. Dafür gib es einige Möglichkeiten.

 

GiB Welche sind das?

K. Schoofs Fachschaften können kooperativ Datenbanken mit Themen für Schulaufgaben und Übungsaufsätze erstellen, insbesondere für die neuen Schreibformen des LehrplanPlus.

Das wäre eine Möglichkeit. Eine andere wäre, dass nur bei neu eingeführten Schreibformen ein vollständiger Übungsaufsatz von der Lehrkraft korrigiert werden muss. Oft reicht die Ausformulierung eines Arguments oder eines Teilaspekts. Die Schülerinnen und Schüler können sich zum Beispiel auch bei Schreibkonferenzen gegenseitig verbessern. Bei den Übungsaufsätzen sind knapp gehaltene Korrekturbögen mit Ankreuzmöglichkeit für die Qualität einzelner Kriterien für Schülerinnen und Schüler oft hilfreicher und transparenter als ausführliche Schlussbemerkungen. Eine weitere Entlastung kann sein: Schlussbemerkungen unter Schulaufgaben erfassen den erreichten Kompetenzstand, die Vorzüge und die Mängel einer Arbeit oft auch in wenigen Zeilen, insbesondere wenn ohnehin schon umfangreiche Randbemerkungen vorhanden sind. Darüber hinaus können Fachschaften einzelne Aufsatz-Schulaufgaben durch andere, gleichwertige Leistungsnachweise ersetzen, zum Beispiel eine Debatte in der 9. Jahrgansstufe anstelle des argumentierenden Schreibens. Und Erwartungshorizonte können sich in vielen Fällen darauf beschränken, stichpunktartig einige wesentliche Schwerpunkte der Vorbereitung und Korrektur aufzuzählen.

 

GiB Bestehen auch beim sehr arbeitsintensiven Abitur Entlastungsmöglichkeiten?

K. Schoofs Eine gute Abiturvorbereitung kann auch gewährleistet werden, wenn pro Schulaufgabe nur zwei Themen zur Auswahl gestellt werden und die zu bearbeitenden Texte kürzer ausfallen als in der Abiturprüfung, so dass man sie in 180 Minuten bearbeiten kann. Kein anderes Fach leistet sich an dieser Stelle so einen enormen Aufwand. GiB Wie einfach oder schwierig dürfte Ihrer Einschätzung nach die Umsetzung vor Ort sein? K. Schoofs Einige dieser Vorschläge werden sicher schon in manchen Fachschaften praktiziert, andere sind vielleicht neu und hilfreich. Möglicherweise gelingt ihre Umsetzung nur, wenn eine Fachschaft solidarisch zusammenhält und sich gegen weitergehende Forderungen zur Wehr setzt. Die Fachschafts- und Schulleitungen seien an dieser Stelle an ihre Fürsorgepflicht für die Kolleginnen und Kollegen erinnert. Wir Deutschlehrkräfte unterrichten mit Begeisterung ein schönes Fach. Sorgen wir gemeinsam dafür, dass wir nicht unter der Arbeitsbelastung resignieren!

 

GiB Vielen Dank für das Gespräch! 


 

Jetzt Mitglied werden!

Mit dem bpv sind Sie immer einen Schritt voraus: bevorzugt informiert, umfassend versichert, gut beraten. Sichern Sie sich mit einer bpv-Mitgliedschaft viele Vorteile und Leistungen – im Studium, Referendariat und Berufsleben!

Jetzt beitreten!