Im 14. Band der Buchreihe „Täter, Helfer, Trittbrettfahrer“ von Herausgeber Wolfgang Proske werden 23 NS-Belastete aus der Oberpfalz behandelt – von Helfershelfern bis zu NS-Kriegsverbrechern.
Dass die Buchreihe „Täter, Helfer, Trittbrettfahrer“ ein Desiderat der Zeithistorie ausfüllt und damit eine interessierte Leserschaft anspricht, beweist die kurzfristig notwendig gewordene 2. Auflage des 14. Bandes dieser Publikationsfolge. Dem Herausgeber Wolfgang Proske ist es erneut gelungen, neben 4 Eigenbeiträgen insgesamt 15 Autoren für die differenzierte Behandlung von 23 NS-Belasteten aus der Oberpfalz als Verfasser zu gewinnen. Die Bandbreite der Beiträge reicht quellengestützt vom Helfershelfer aus Opportunismus über hauptamtliche NSDAP-Funktionäre in den Parteigliederungen auf lokaler und überregionaler Ebene bis zu NS-Kriegsverbrechern in Konzentrationslagern und Einsatzgruppen. Dass in den Kreis der porträtierten NS-Top-Belasteten auch „kleine, regionale Randfiguren“ oder der seinem Oberpfälzer „Heimatstamm“ verpflichtete Pfadfinder als Heimatpfleger oder ein Heimatdichter einbezogen wurden, spricht für den Anspruch der Reihe auf ein regionales „Nachjustieren“. Das Publikationsdatum des Bandes fällt zudem in eine Zeit, in der im Kontext des Angriffskriegs gegen die Ukraine der Aggressor Wladimir Putin diesen mit dem Anspruch auf eine „Entnazifizierung“, mit Begriffen wie „gerechter Bestrafung“, „notwendiger Sühne“ und der „Vernichtung der Nazis“ rechtfertigen will – eine geradezu frivole Verharmlosung von Kriegsverbrechen nach Definition der Menschenrechts-Charta und des Holocaust.
Wolfgang Proske lenkt mit Kurzviten den Leser auf die 23 Fälle in den folgenden, unterschiedlich ins Detail gehenden Beiträgen von Verfassern, die i.d.R. einen Regionalbezug aufweisen. Eine Lehrkraft der historisch-politischen Fächer wird ebenso wie der zeithistorisch engagierte Student die einzelnen Fälle auch als Anregung für ein Referat, eine Fach- oder Semesterarbeit nutzen können – zahlreiche Quellenbelege und Literaturverweise in Fußnoten erleichtern ggf. die fachliche Vertiefung. Exemplarisch sei hier der Beitrag des Herausgebers der Reihe über den katholischen Gefängnisseelsorger aus der Oberpfalz, Karl Morgenschweis (geboren 1891 Rosenberg, gestorben 08.10.1968 Buchloe) in den Blick genommen, der von 01.10.1932 bis 31.07.1957 in der Haftanstalt Landsberg/Lech tätig war und dort auch die verurteilten KZ- und Kriegsverbrecher und ihre Angehörigen betreute einschließlich der Begleitung der zum Tode Verurteilten bis zur Hinrichtung der letzten sieben Inhaftierten. Morgenschweis sollte sich in seinem Ruhestand ab 01.08.1957 zum „Kronzeugen“ der letzten Kriegsverbrecher in einem [unveröffentlichten] Bericht für das Feuilleton einer Tageszeitung entwickeln, der 36 Jahre später in der Zeitschrift einer Landsberger Bürgervereinigung nach „Wahrheitsgehalt, Legendenbildung und Verfälschungen der Geschichte analysiert“ wurde. Dass sich Morgenschweis nicht nur als Geistlicher verstand, zeigt seine politische Biografie: Als Leutnant d.R. Mitglied im Bund Bayern und Reich, Sektion Unterland (1922/24), Bayer. Volkspartei (1924 bis zu deren „ehrenvollen Selbstauflösung“, 1933), Blockwart im Reichsluftschutzbund (1934), Mitglied des NS-Volkswohlfahrt (1934) und des Volksbunds für das Deutschtum im Ausland (VDA, 1936), sog. „Vorfeldorganisationen“ zur Absicherung des lokalen Einflusses der NSDAP als „Mitmacheffekt“ zur Organisation der Volksgemeinschaft i.S. der Pflichterfüllung als Nicht-Parteigenosse. Wolfgang Proske, der Karl Morgenschweis als „Lobbyist für Kriegsverbrecher“ einstuft, zitiert zur Person abschließend einen Mitautor seiner Reihe, der den Geistlichen als „klassischen Vertreter jener Kreise bezeichnet, die offensiv eine Vergangenheitspolitik des Vergessens und Verzeihens betrieben haben“ (Jens Westermeier, „Täter, Helfer, Trittbrettfahrer“, Bd. 9, 2018), was auch aus einem Vortrag unter dem Titel „Für Wahrheit und Gerechtigkeit“ am 25.11.1966 beim Dt. Kulturwerk des Europäischen Geistes ableitbar ist. Fazit: „Täter, Helfer, Trittbrettfahrer“ Band 14 kann als Impuls für weitere Recherchen in der Region, aber auch an den „Einsatzorten“ der Täter und ihrer Helfershelfer über die Oberpfalz hinaus der Aufklärung von NS-Verbrechen, den Sühnemaßnahmen der Entnazifizierung (Spruchkammerverfahren, Internierungen), aber auch manch fragwürdiger „später Ehrungen“ hilfreich sein.
Willi Eisele