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Verschwörungstheorien: Podcast „Sie sind unter uns“

Das Phänomen der Verschwörungstheorien erfährt vor allem seit der Corona-Pandemie vermehrt in der Öffentlichkeit Aufmerksamkeit. Um die verschiedenen Facetten des Phänomens aus wissenschaftlicher Perspektive zu beleuchten, hat Thomas Stelzl von der Universität Passau den Podcast „Sie sind unter uns“ für den Unterricht an Schule und Universität entwickelt.

Was sind Verschwörungstheorien und warum glauben Menschen daran? Welche Rolle spielen Medien bei deren Verbreitung und welche Gefahr geht von diesem Phänomen aus? Antworten auf diese und weitere Fragen liefert Thomas Stelzl von der Universität Passau in seinem Podcast „Sie sind unter uns“. Der Amerikanist und Kulturwissenschaftler hat das Format im Rahmen eines fakultätsübergreifenden Projekts für die Didaktik der Geschichte produziert. In acht 45- bis 55-minütigen Podcast-Folgen beschäftigt er sich mit verschiedenen Aspekten des Themengebietes. Angefangen von der Begriffsdefinition zu der Frage, wer warum an Verschwörungstheorien glaubt, untersucht Stelzl verschiedene Beispiele aus Deutschland und den USA. Zur Seite stehen ihm dabei Expertinnen und Experten aus verschiedensten Bereichen. Unter anderem spricht er mit einem Verfassungsschützer und einem Antisemitismusbeauftragten sowie einer Mitarbeiterin einer Beratungsstelle für Betroffene.

Beispielsweise wird ein Blick in die Vergangenheit auf die antisemitische Verschwörungstheorie rund um die sogenannten „Protokolle der Weisen von Zion“ geworfen. Drei Experten, darunter Ludwig Spaenle, Beauftragter der Bayerischen Staatsregierung für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus, für Erinnerungsarbeit und geschichtliches Erbe sowie ehemaliger Bayerischer Kultusminister, erklären, wieso das Phänomen nach wie vor von Relevanz ist. Auch wird das Thema Wissenschaftsleugnung anhand von Beispielen wie dem Klimawandel und der Covid-19-Pandemie eingehender betrachtet. Was hat Wissenschaftsleugnung mit Verschwörungstheorien zu tun und wie kann damit umgegangen werden, wenn Verschwörungsgläubige wissenschaftliche Formen imitieren, um ihr Gedankengut zu verbreiten? In einer weiteren Episode geht es um den Geschichtsrevisionismus der Reichsbürgerbewegung und die Frage, welche Gefahren von solchen Strömungen ausgehen.

Zu jeder Podcast-Folge stehen umfangreiche Shownotes zur Verfügung, in denen die Quellen verlinkt sowie weiterführende Literatur aufgeführt sind. Außerdem hat Stelzl zusammen mit seinem Team zu jeder Episode Arbeitsblätter zusammengestellt, die in Form von verschiedenen Aufgabentypen des Gehörte abfragen und ebenso wie die Lösungsschlüssel zum Herunterladen bereitstehen. Darüber hinaus gibt es pro Folge Reflexionsfragen, die zur weiterführenden Diskussion anregen. Der Podcast und seine Zusatzmaterialien sind für Schülerinnen und Schüler der oberen Jahrgangsstufen sowie Studierende auf Proseminarniveau gedacht und stehen kostenlos zur Verfügung. Den Podcast gibt es auf Spotify sowie unter blog.dilab.uni-passau.de/sie-sind/. Dort sind ebenso die Unterrichtsmaterialien und zusätzliche Informationen zu finden. 

 

Ein Format für viele Fächer

Thomas Stelzl klärt in „Sie sind unter uns“ über Verschwörungstheorien auf. Warum sich der Podcast dafür besonders gut eignet, erzählt er im Gespräch mit der bpv-Verbandszeitschrift "Das Gymnasium in Bayern" (Ausgabe 2-2023): 

GiB Herr Stelzl, woher kommt Ihr Interesse für das Thema und wie kam es zu der Idee zum Podcast?

T. Stelzl Ich komme aus der Amerikanistik und bin dort vor ein paar Jahren im Zuge der Präsidentschaft von Donald Trump auf die Themen alternative Fakten und Desinformation gestoßen. Im Winter 2019/20 bot ich dann mein erstes Seminar direkt zu Verschwörungstheorien an und als ich wenig später im ersten Lockdown eine Hausarbeit zu Impfverschwörungstheorien korrigierte, war mir klar, dass ich da an einem sehr aktuellen Thema dran bin. Der Podcast greift dieses Interesse nun in einem innovativen Lernmedium auf, das auch ein breiteres Publikum ansprechen soll.

GiB Warum ist es Ihrer Meinung nach wichtig, an Schulen über Verschwörungstheorien aufzuklären?

T. Stelzl Zum einen hat das Thema für mich eine hohe Gegenwartsrelevanz. Verschwörungstheorien gibt es schon sehr viel länger, aber heute ist es ein gesellschaftliches Thema, dem man nicht entgehen kann. Wer früher glaubte, die Erde ist flach, der hat es eben geglaubt. Wer dagegen heute denkt, Corona sei eine Erfindung, muss sich positionieren, etwa wenn er sich weigert, eine Maske zu tragen. Zum anderen soll mit dem Projekt über den Umgang mit der digitalisierten Welt aufgeklärt werden, um zu erkennen, wie leicht es heutzutage ist, darüber Verschwörungstheorien zu verbreiten, aber auch auf sie hereinzufallen. Zuletzt liegt es mir am Herzen, zu verdeutlichen, dass es „neutrale Fakten“ oft nicht gibt, sondern viele verschiedene Interpretationen der Welt.

GiB Welche Vorteile bietet der Podcast bei der Wissensvermittlung?

T. Stelzl Ich sehe drei Vorteile: Erstens ist der Podcast wiederverwendbar. Zweitens bietet sich das Medium dafür an, die Wissensvermittlung im Sinne des Konzepts „flipped classroom“ zwischen die Unterrichtszeiten zu verlegen. Die Schüler können sich so beispielsweise als Hausaufgabe die Folge in ihrem individuellen Tempo anhören und im Klassenzimmer findet dann eine Diskussion über das Gehörte statt oder es werden die Übungsaufgaben bearbeitet. Und drittens kennen und nutzen junge Menschen Podcasts im Alltag, sodass dieses Medium für sie sehr zugänglich und interessant ist.

GiB Wie kann außerdem noch der Podcast in den Schulunterricht eingebaut werden?

T. Stelzl Ich kann mir das auf verschiedene Arten vorstellen, sowohl was die Nutzung des Zusatzmaterials als auch den Einsatz in verschiedenen Fächern betrifft. Die Infos in den Shownotes kann die Lehrkraft auch dazu nutzen, um darauf aufbauend einen bestimmten Aspekt eingehender vorzubereiten und im Unterricht zu behandeln. Der Podcast bietet in vielen Fächer Anknüpfungspunkte, da die Folgen vor allem ab der dritten Episode auch gut einzeln funktionieren. Der Bereich Wissenschaftsleugnung könnte in Naturwissenschaften eingesetzt werden oder die Folgen zu Geschichtsrevisionismus und Antisemitismus in Geschichte. Die Beispiele aus den USA bieten sich für den Englischunterricht an. Ebenso könnte ein W-Seminar Sozialkunde/Politik darauf aufbauen oder eine Projektwoche an der Schule.

GiB Vielen Dank für das Gespräch!

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