Schulische Erstintegration findet seit diesem Schuljahr in Bayern in sogenannten schulartunabhängigen Deutschklassen statt. Ein erstes Zwischenfazit unter den eingesetzten Lehrkräften an Gymnasien zeigt: Das Konzept mit dem Fokus Spracherwerb in der Stundentafel stimmt im Grundsatz, doch damit das große Engagement der Lehrkräfte und der hohe Einsatz an Zeit und Kraft positive Wirkung entfalten kann, muss bei der Umsetzung nachgesteuert werden und es gilt, die Rahmenbedingungen weiter zu verbessern.
Eine Vielzahl von Rückmeldungen gibt Aufschluss über die Problemfelder: Lehrkräfte nennen vor allem zu heterogene und teils auch zu große Lerngruppen. Das Leistungsspektrum unter den Kindern reiche dabei von Analphabeten bis hin zu für die gymnasiale Schullaufbahn geeigneten Schülerinnen und Schülern. Dazu kommen große Unterschiede in der Leistungsbereitschaft. Nicht wenige der Kinder kämpfen zudem mit psychischen Herausforderungen und haben Schwierigkeiten, sich kulturell und sozial zu integrieren.
Was müsste sich bei der Umsetzung des Konzeptes nach Ansicht der Lehrkräfte ändern? Als Gelingensbedingungen halten 70 Prozent der Befragten mehr Unterstützungskräfte (Jugendsozialarbeiter, Sozialpädagogen etc.) für nötig. Ebenfalls 70 Prozent sprechen sich für eine andere Zusammensetzung der Lerngruppen aus. In den Freitextantworten wird hier vor allem die Gruppe der Analphabeten genannt, die einer spezifischeren Lösung bedarf. Ebenso braucht es laut der Befragten zusätzliche Lehrkräfte (58 Prozent) und kleinere Lerngruppen (54 Prozent). Gefordert werden zudem mehr schulpsychologisches Personal, zusätzliches, angepasstes Unterrichtsmaterial und generell mehr Zeit. Dagegen sehen die wenigsten Umfrage-Teilnehmer Bedarf, die Stundentafel zu verändern oder mehr Fortbildungen anzubieten.
bpv-Vorsitzender Michael Schwägerl ordnet die Rückmeldungen ein: “Die in den Deutschklassen eingesetzten Kolleginnen und Kollegen haben zu 80 Prozent das Gefühl, dass die gesetzten Ziele bei den derzeitigen Rahmenbedingungen nicht erreicht werden können. Ein klares Zeichen für die Staatsregierung, die Rückmeldungen ernst zu nehmen und nachzusteuern, denn wir haben kein Erkenntnisproblem mehr. Allen ist klar: Für die zukünftige gesellschaftliche Teilhabe der jungen Menschen ist ein Gelingen der schulischen Erstintegration mit dem Erwerb der deutschen Sprache essenziell!”
Im Januar hat der bpv unter seinen Mitgliedern an den 106 Gymnasien mit schulartunabhängigen Deutschklassen eine Umfrage durchgeführt. 341 Lehrkräfte nahmen teil. Mit den schulartunabhängigen Deutschklassen in den Jahrgangsstufen 5 und 6 ist in diesem Schuljahr ein Nachfolgekonzept zu den Brückenklassen gestartet. Die Brückenklassen wurden zur schulischen Integration ukrainischer Geflüchteter eingerichtet; die schulartunabhängigen Deutschklassen dagegen richten sich an neu zugewanderte Schülerinnen und Schüler aus verschiedenen Herkunftsländern.