In vielen Unternehmen und Behörden ist sie seit Jahren gängige Praxis, andere haben sie aufgrund der Rechtsprechung erst im Frühjahr 2023 eingeführt: die Arbeitszeiterfassung. Auch für Beamte soll sie verpflichtend sein - wie das in der Praxis aussehen wird, ist noch offen. Der Überblick zeigt, wie die derzeitige Rechtslage an staatlichen Schulen aussieht und welche Entwicklungen es aktuell in der Rechtsprechung gibt.
Die wichtigsten Regelungen finden sich in
Die regelmäßige Arbeitszeit setzt sich aus der Zahl der Unterrichtsstunden pro Woche und der Erledigung der sonstigen Tätigkeiten und Aufgaben zusammen. Dabei beinhaltet die Lehrerarbeitszeit gebundene (also im Stundenplan festgelegte Stunden, von der Schule terminierte Konferenzen, Sitzungen und Aufsichten) und ungebundene Arbeitszeit (Vorbereitung, selbst anberaumte Beratungsgespräche, Organisation und Durchführung von Projekten, Fahrten und Wettbewerben, Korrekturen, Planung und Vorbereitung des Schuljahres etc.). Letztere entspricht im Grunde der Vertrauensarbeitszeit. Ihr Umfang bemisst sich entsprechend der Lehrerdienstordnung (hier insb. §§ 9a, 9b LDO).
Je nach Schulart sind die einzelnen Tätigkeiten unterschiedlich aufwendig, weswegen der Dienstherr im Rahmen der ihm prinzipiell zustehenden "grob pauschalierenden Bemessung" unterschiedliche Unterrichtspflichtumfänge festgesetzt hat. So erfordert die Erstellung und Korrektur einer Oberstufenklausur ein besonders hohes Maß an Zeit, die Vorbereitung von Unterricht in mehreren Fächern, über viele Jahrgangsstufen bis hin zur Wissenschaftspropädeutik ist aufwendig und erfordert es, aktuelle fachwissenschaftliche Entwicklungen regelmäßig zu rezipieren und in den Unterricht zu integrieren.
Gemäß Art. 87 Abs. 5 BayBG und der KMBek "Mehrarbeit im Schulbereich" vom 10. Dezember 2012 wird geleistete Mehrarbeit bei Vollzeit ab vier zusätzlichen Unterrichtsstunden pro Kalendermonat abgegolten (abweichende Regelungen bei Teilzeit), wobei sie zuvor angeordnet oder genehmigt werden musste. Problematisch ist vor diesem Hintergrund, dass gerade die außerunterrichtlichen Tätigkeiten stark zugenommen haben, diese Verlagerung hier aber keinen Niederschlag findet.
Wie bei allen Beamten gilt: Der Anspruch auf Erholungsurlaub bei einer (Unterrichts-)Tätigkeit an fünf Wochentagen beträgt 30 Kalendertage im Jahr. Diese sind mit den Schulferien abgegolten (vgl. § 3 UrlMV i.V.m. § 12 LDO). Die unterrichtsfreie Zeit ist also vom individuellen Urlaubsanspruch abzugrenzen. Gleichzeitig entlastet die Regelung die Schulen von viel Bürokratie, da Urlaubsanträge bzw. -anzeigen (mit Ausnahme der Schulleiter) nicht erforderlich sind. Geht man von der 40-Stunden-Woche gemäß BayArbZV aus und rechnet die Schulferien mit zum Teil geringerer, zum Teil ohne Dienstleistung heraus, führt dies zu einer wöchentlichen Arbeitszeit zwischen 44 und 46 Zeitstunden ohne Pausen. Dabei sind Unterrichtsstunden mit 45 Minuten zu rechnen. Generell sieht § 7 Abs. 8 ArbZV vor, dass viele Regelungen zu Pausen und maximalen Tagesarbeitszeiten für Lehrkräfte an öffentlichen Schulen nicht anwendbar sind. Dies auch vor dem Hintergrund der Eigenart des Berufs: Belastungsspitzen liegen in der Natur der Lehrtätigkeit. So kann eine Lehrkraft im Schullandheim oder während der fristgebundenen Abiturkorrektur nicht nach 10 Stunden abbrechen und Schüler und Arbeit sich selbst überlassen. Umso wichtiger ist hier die Begleitung der Zuweisung von Aufgaben durch den örtlichen Personalrat, der die "gleichmäßige Belastung" - zumindest über längere Zeiträume - im Kollegium sicherstellen soll.
Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 14.05.2019, C-55/18:
Die spanische Gewerkschaft CCOO klagte gegen die Deutsche Bank AG Spanien auf Einhaltung der Pflicht, die täglich geleistete Arbeitszeit ihrer Beschäftigten zu messen, um Verstöße gegen die Arbeitszeitregelungen gemäß Arbeitszeitrichtlinie und Charta der Grundrechte der EU überprüfen zu können und damit unter anderem den Gesundheitsschutz und die Arbeitssicherheit zu gewährleisten. Der EuGH bestätigte, dass die Mitgliedsstaaten sicherstellen müssen, dass ihre Arbeitgeber aufgrund von Gesetzen oder Tarifverträgen dazu verpflichtet sind, täglich die (gesamte) individuell geleistete Arbeitszeit objektiv, verlässlich und zugänglich für Beschäftigte, Arbeitgeber und Mitarbeitervertretungen und Behörden zu messen.
Gemäß der Charta der Grundrechte der EU, Art. 4 Abs. 1, 11 Abs. 3, 16 Abs. 3 der Richtlinie 89/391/EWG (Aspekte der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes) und Art. 3, 5, 6, 16, 22 der Richtlinie 2003/88/EG vom 04.11.2003 (Arbeitszeitrichtlinie) der EU gilt unter anderem:
Ausnahmen können zum Beispiel gemacht werden bei
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 13.09.2022, 1 ABR 22/21:
Schon jetzt gilt gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG, dass die Erfassung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit für Arbeitnehmer (nicht für Beamte) Pflicht ist. Der klagende Betriebsrat einer Pflegeeinrichtung konnte daher nicht vor Gericht erwirken, dass ihm ein Initiativrecht zur Einführung eines elektronischen Zeiterfassungssystems zukommt. Zudem entfalte das EuGH-Urteil keine unmittelbare Wirkung für Arbeitgeber, sondern »lediglich« für die Gerichte und den Gesetzgeber eines Landes. Ein Initiativrecht bestehe aber für die Ausgestaltung eines Zeiterfassungssystems (also für das »wie«, nicht aber für das »ob«). § 16 Abs. 2 S. 1 ArbZG als Bundesgesetz mit Wirkung für Arbeitnehmer (nicht Beamte) verfügt nur eine Aufzeichnungspflicht für Überstunden. Die Aufzeichnungspflicht ist nicht auf die elektronische Form beschränkt, könnte also auch in Papierform erfolgen, auch ein Delegieren dieser Pflicht auf den Arbeitnehmer ist zulässig. Allerdings soll die Manipulation aus geschlossen sein. Dies schließt die sogenannte "Vertrauensarbeitszeit" nicht aus, schreibt aber deren Dokumentation vor.
Bundesarbeitsministerium - Referentenentwurf zur Umsetzung der Verpflichtung aus den EuGH- und BAG-Entscheidungen (Gesetz zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes):
Letzter Bearbeitungsstand ist der 27.03.2023. Die Ressortanhörung ist nicht abgeschlossen.
Ina Hesse, bpv-Rechtsschutzreferentin